Von Bologna geht es auf dem alten Emilischen Wege in der Niedrigung durch eine sehr wasserreiche Gegend immer nach Rimini herunter. Bloss von Bologn bis nach Imola geht man über fünf oder sechs Flüsse. Rechts hatte ich die Apenninen, die noch beschneyt waren; der Boden ist überall sehr fett und reich. In Imola machte ich einen etwas barocken Einzug. Ich kam gerade zu den Harlekinaden der Faschingsmasken, wovon ich in Pordenone schon einen Prodrom gesehen hatte. Die ganze Stadt war in Mummerey und zog in bunten Gruppen in den Strassen herum. Nur hier und da standen unmaskiert einige ernsthafte Männer und Matronen und sahen dem tollen Wesen zu. Meine Erscheinung mochte für die Leute freylich etwas hyperboreisch seyn; eine solide pohlnische Kleidung, ein Seehundstornister mit einem Dachsgesicht auf dem Rücken, ein grosser schwerer Knotenstock in der Hand. Die Maskerade hielt alle Charaktere des Lebens, ins Groteske übersetzt. Auf einmahl war ich mit einer Gruppe umgeben, die allerhand lächerliche Bockssprünge um mich herum machte. Die ernsthaften Leute ohne Maske lachten, und ich lachte mit; einen genialischen Aufzug dieser Art kann man freylich nicht auf der Leipziger Messe haben. Plötzlich trat mit den possierlichsten Stellungen eine tolle Maskenfratze vor mich hin und hielt mir ein Barbierbecken unter die Nase, das Don Quischott sehr gut als Helm hätte brauchen können; und ein anderes Bocksgesicht setzte sich hinter mich, um von seinem Attribut der Klystierspritze Gebrauch zu machen. Stelle Dir das donnernde Gelächter von halb Imola vor, als ich den Klystierspritzenkerl mit einer Schwenkung vollends umrannte, meinen Knotenstock komisch nach ihm hin schwang und meine Personalität etwas aus dem Gedränge zu Tage förderte. Zum Unglück muss ich Dir sagen, dass mein Bart wirklich über drey Tage lang war und dass ich von den dortigen rothen Weinen, an die ich nicht gewöhnt war, mich in einer Art von Hartleibigkeit befand. Die Menge zerstreute sich lachend, und ein ziemlich wohl gekleideter Mann ohne Maske, den ich nach einem Gasthof fragte, brachte mich durch einige Strassen in die Hölle, Nummer Fünfe. Das war nun freylich kein erbaulicher Name; indessen ich war ziemlich müde und wollte in meinen Pontifikalibus nicht noch einmahl durch das Getümmel laufen um ein besseres Wirthshaus zu suchen; also blieb ich Nummer Fünfe in der Hölle. Nachdem ich meinen Sack abgelegt hatte, wandelte ich wieder vor zu dem Haufen; und nun muss ich den Farcenspielern die Gerechtigkeit widerfahren lassen, dass sie sich, so weit es ihr Charakter erlaubte, ganz ordentlich und anständig betrugen. Ein entsetzlich zudringlicher Cicerone, der mich in drey verschiedenen Sprachen, in der deutschen, französischen und italiänischen, anredete, verliess mich mit seiner Dienstfertigkeit nicht eher, als bis einige französische Officiere mich von ihm retteten und mit mir in ein nahes Kaffeehaus gingen. Vor diesem Hause war der beste Tummelplatz der Maskierten, die in hundert lächerlichen Aufzügen und Gruppierungen mit und ohne Musik auf und nieder liefen. Ein siedend heisser politischer Imolait schloss sich an mich an und führte das Gespräch durch verschiedene Gegenstände sehr bald auf die Politik und erkundigte sich, wie es in Wien aussähe. Ich antwortete ganz natürlich der Wahrheit gemäss, ganz ruhig. On les a bien forcé à coups de bayonettes à être en repos; sagte er. Apparemment; sagte ich. — C'est toujours la meilleure maniere de disposer les gens à se conformer à la raison. — Mais oui, entgegnete ich, après en avoir essayé les autres; pourvù toute fois, qu' il y ait de la raison et de la justice au fond de l'affaireEstce que vous en doutés pour la notre? — On ne peut pas repondre à cela en deux mots. Nun wollte er eine Diskussion anfangen und ward ziemlich heftig. Ich entschuldigte mich mit meiner alten Formel: Quand on commence, il faut toujours commencer par le commencement; da würde sich denn ergeben das alte Iliacos intra muros peccatur et extra. Der Abend rief mich zum Essen und zur Ruhe, und wir schieden recht freundschaftlich indem er meinte: Wenn es auf uns beyde angekommen wäre, würde wohl kein Krieg entstanden seyn. Das glaubte ich wenigstens für mich auf meiner Seite, und ging ganz andächtig in die Hölle Nummer Fünfe, wo ich bis zum Sonnenaufgang recht sanft schlief. Ist Imola nicht ein Ort, wo ein Bischof sich zum Papst bilden kann?

In Faenza sah ich die erste französische Wachparade, und in Forli nichts. Nicht eben als ob da nichts zu sehen wäre: Antiquare und Künstler finden daselbst reichliche Unterhaltung für ihre Liebslingsfächer. Aber ich dachte weder an alte noch neue Kriege und zog gerades Weges ins Wirthshaus, das Hotel de Naples. Auf mein ltaliänisch war man nicht ausserordentlich höflich, vermuthlich weil es nicht sonderlich gut war. Ne pourrai je pas parler au maitre de la maison? fragte ich etwas trotzig, indem ich meinen Tornister abwarf. Auf einmahl war alles freundlich, und alles war zu haben. Sonderbar, wie zuweilen einige Worte so oder so wirken können, nachdem man sie hier oder da sagt. In Ferrara mochte ich wohl mit meinem Reisesacke einigen Herren etwas drollig vorkommen, und sie schienen sich hinter mir über mich mit lautem Gelächter etwas zu erlustigen. Qu'est ce qu'il y a là, Messieurs? fragte ich mit einer enrhumierten rauhen Stimme. Niente, Signore, war die Antwort; und alles trat still in eine bescheidnere Entfernung. In Spoleto hätte mir die Frage ein Stilet gelten können. Ich fand in dem Hotel de Naples zwey Kaufleute und drey Schiffer; der Kellner war ein jovialischer Mensch; man begrüsste mich in einer Minute zehn Mahl mit dem Prädikate cittadino, gab mir den Ehrenplatz und fütterte mich à qui mieux mit den besten Gerichten. Es machte keinen Unterschied als man nun erfuhr, ich sey ein Deutscher; so sehr bestimmt der erste Augenblick die künftige Behandlung. Wir pflanzten uns, da der Abend sehr rauh und stürmisch war, um den Kamin her, machten einen traulichen freundlichen Familienzirkel und tändelten mit einem kleinen allerliebsten Jungen, der wie ein Toast der Gesellschaft von den Knien des Einen zu den Knien des Andern ging.

Zwischen Forli und Cesena sind die Reste des alten Forum Pompilii, und die Trümmer einer Brücke, welche auch alt zu seyn scheint. Ich sah von allem sehr wenig wegen des entsetzlichen Wetters. Die Brücke gleich vor Cesena über den Savio ist ein Werk, das bey den Italiänern für etwas sehr schönes gilt; das kann aber nur in dieser Gegend seyn. Das fürchterlich schlechte Wetter hielt mich in Cesena, da ich doch nur von Forli gekommen war und also nicht mehr als vier Stunden gemacht hatte. Hier wurde ich von dem Wirth mit einer gewissen kalten Förmlichkeit aufgenommen, die sehr merklich war, und in ein ziemlich ärmliches Zimmer hinten hinaus geführt. Ich hatte weiter nichts dawider. Nachdem wir aber eine Stunde zusammen geplaudert hatten, ich in einem Intermezzo des Regens etwas ausgegangen war, um die Stadt zu sehen und ein Kaffeehaus zu besuchen, und wieder zurück kam, fand ich meine Sachen umquartiert und mich in ein recht schönes Zimmer vorn heraus versetzt. Die Wirthin machte die Erklärung: Man habe mich für einen Franzosen gehalten, der von der Munizipalität logiert würde: nun pflegte die Munizipalität seit geraumer Zeit für die zugeschickten Gäste gar nichts mehr zu bezahlen; man könnte es also nicht übel deuten, dass sie auf diese Weise so wohlfeil als möglich durchzukommen suche. Aber ein Galantuomo wie ich, müsse mit Anstand bedient werden. Das fand ich auch wirklich. Die Mädchen vom Hause waren recht hübsch und so höflich und freundlich, als man in Ehren nur verlangen kann. Es kam noch ein Schiffskapitän, der mir Gesellschaft leistete und mir von seinen Fahrten im mittelländischen Meere eine Menge Geschichten erzählte. Er bedauerte, dass es Friede sey und der Schleichhandel nicht mehr so viel eintrage: das sagte er nehmlich, ohne sich sehr verblümt auszudrücken. Die Rechnung war für die sehr gute Bewirthung ausserordentlich billig. Cesena ist übrigens eine alte sehr verfallene Stadt, und der aufgepflanzte Freyheitsbaum machte unter den halbverschütteten Häusern des fast leeren Marktes eine traurige Figur. Pius der Sechste muss für seine Vaterstadt nicht viel gethan haben: es würde ihm weit rühmlicher seyn, als der verunglückte Pallast für seinen verdienstlosen Nepoten.

Vor Savignano ging ich, nicht wie Cäsar, über den Rubikon. Wahrscheinlich hat der kahlköpfige Weltbeherrscher hier oder etwas weiter unten am Meere den ersten entscheidenden Schritt gethan, die sonderbare Freyheit seines Vaterlandes zu zertrümmern, als er als Despot des neu eroberten Galliens zurück kehrte. Ein eigener Charakter, der Julius Cäsar. Es ist von gewissen Leuten schwer zu bestimmen, ob sie mehr Liebe oder Hass verdienen. Ich erinnere mich, dass es mir in einem solchen moralischen Kampfe einmahl entfuhr, Cäsar sey der liebenswürdigste Schurke, den die Geschichte aufstelle. Die Aeusserung hätte mir fast die Beschuldigung der verletzten Majestät zugezogen. Dagegen wollte man mir neulich beweisen, Brutus sey eigentlich der Schurke gewesen, und Cäsar ganz Liebenswürdigkeit. So, so; bien vous fasse! Ihr seyd werth, Cäsarn mit seiner ganzen Sippschaft und liebenswürdigen Nachkommenschaft zu Herrschern zu haben; ob ich es gleich nicht über mich nehmen wollte, den Junius Brutus durchaus zu vertheidigen. Also hier gingen wir beyde über den Rubikon, Cäsar und ich; haben aber übrigens beyde nichts mit einander gemein, als dass wir — nach Rimini gingen.

In Savignano war Markt; der Platz wimmelte von Leuten, die zur Ehre der neuen Kokarde weidlich zu zechen schienen. Ich fragte einen wohlgekleideten Mann nach einem Speisehause. Er besah mich ganz misstrauisch, schaute nach meinem Huthe und da er rund herum keine Kokarde entdeckte, ward sein Ansehen etwas grimmig und er schickte mich mit der höflichen Formel weiter: Andate al diavolo! Das war der Revers von Cesena. So gehts zu Revolutionszeiten: für das nehmliche wirst Du hier gepflegt, dort beschimpft; glücklich wenns nicht weiter geht.

In Rimini schlief ich gewiss ruhiger, als der mächtige Julius nach seiner Passage geschlafen haben mag. Vor der Stadt sind einige herrliche Aussichten. Auf dem Platze della Fontana steht der heilige Gaudentius von Bronze, der eine gar stattliche Figur macht. Auch ein Papst Paul, ich weiss nicht welcher, hat hier ein Monument für eine Wasserleitung, die er den Bürgern von Rimini bauen liess. Eine Wasserleitung halte ich überall für eins der wichtigsten Werke und für eine der grössten Wohlthaten; und hier in Italien ist es doppelt so. Wenn ein Papst eine recht schöne wohlthätige Wasserleitung bauet, kann ich ihm fast vergeben, dass er Papst ist. Auf dem andern Platze stand der Baum mit der Mütze und der Inschrift: L' Union des François et des Cisalpins. Aber welche Union! das mag der heilige Bartholomäus in Mayland sagen.

Wenn ich nun ein ordentlicher systematischer Reisender wäre, so hätte ich von Rimini rechts hinauf auf die Berge gehen sollen, um die selige Republik Sankt Marino zu besuchen; zumahl da ich eine kleine Liebschaft gegen die Republiken habe, wenn sie nur leidlich vernünftig sind. Aber ich ging nun gerade fort nach Katholika und Pesaro. Die Arianer hatten, wie man sagt, auf dem Koncilium zu Rimini den Meister gespielt; desswegen gingen die rechtgläubigen Bischöfe mit Protest herüber nach Katholika und verewigten ihre muthige Flucht durch den Namen des Orts. Auch steht, wie ich selbst gelesen habe, die ganze Geschichte auf einer grossen Marmorplatte über dem Portal der Kirche zu Katholika: ich nehme mir aber selten die Mühe etwas abzuschreiben, am wenigsten dergleichen Orthodoxistereyen. In Pesaro, wo ich beyläufig die erste Handvoll päpstlicher Soldaten antraf, fragte ich, weil ich müde war, den ersten besten, der mir begegnete, wo ich logieren könnte? Bey mir antwortete er. Sehr wohl! sagte ich, und folgte. Der Mann hatte ein Schurzfell und schien, mit Shakespear zu reden, ein Wundarzt für alte Schuhe zu seyn. Nun fragte er mich, was ich essen wollte? Das stellte ich denn ganz seiner Weisheit anheim, und er that sein möglichstes mich zu frieden zu stellen, ging aus und brachte Viktualien, machte selbst den Koch und holte zweyerley Wein. Das war von nun an oft der Fall, dass der Herr Wirth sich hinstellte und mir die patriarchalische Mahlzeit bereitete und ich ihm hülfreiche Hand leistete. Er klagte mir ganz leise, dass die gottlosen Franzosen viere der schönsten Gemählde von hier mit weggenommen haben. Als ich den andern Morgen im Kaffeehause sass und mein Frühstück verzehrte, liessen mir eine Menge Vetturini nicht eher Ruhe, bis ich einen von ihnen nach Fano genommen hatte. Dieser mein Vetturino war nun ein ächter Orthodox, der vor jedem Kreuz sein Kreuz machte, sein Stossgebetchen sagte, seine Messe brummte und übrigens fluchte wie ein Lanzenknecht. Vor allen Dingen war sein Gesang charakteristisch. Ich habe nie einen so entsetzlichen Ausdruck von dummer Hinbrütung in vernunftlosem Glauben gehört. Wenn ich länger verdammt wäre solche Melodien zu hören, würde ich bald Materialismus und Vernichtung für das Konsequenteste halten: denn solche Seelen können nicht fort leben.

Vor Pesaro und noch mehr bey Fano wird die Gegend ziemlich gebirgig, ist voll Schluchten und Defileen in den Höhen, und es wird leicht begreiflich, wie die fremden Karthager sich hier verirrten und den Römern leichtes Spiel machten. Der Metaurus ist, wie fast alle Flüsse welche aus den Apenninen kommen, ein gar schmutziger Fluss, und hat eben so wenig wie der Rubikon ein klassisches Ansehen. Man wollte mir zwischen Fano und Sinigaglia den Berg zeigen, wo Hasdrubal geschlagen worden seyn soll. Ich kann darüber nichts bestimmen, da mir die Geschichte der Schlacht aus den alten Schriftstellern nicht gegenwärtig war. So viel ist gewiss, dass sie hier in der Gegend und am Flusse vorfiel; und mit dem Polybius und Livius in der Hand dürfte es vielleicht nicht schwer seyn, den Platz genau aufzusuchen. Da ich aber wahrscheinlich nicht in Italie kommandieren werde, war ich um den Posten nicht sehr bekümmert. Der Himmel habe den Hasdrubal und die römischen Konsuln selig!

Sinigaglia ist ein angenehmer Ort durch seine Lage: vorzüglich geben die üppig vegetierenden Gärten der Landseite der Stadt ein heiteres Ansehen Ich hatte hier das Vergnügen ein italiänisches Stiergefecht zu sehen, wo die Hunde ziemlich hoch geworfen wurden und ziemlich blutig wegkamen, und woran halb Sinigaglien sich sehr zu ergötzensc hien. Das Prototyp der Dummheit, mein Vetturino, führte mich weiter bis Ankona, da ich einmahl in die Bequemlichkeit des Sitzens gekommen war. Die See ging hoch und die Brandung war schön; rechts hatte ich herrliche Anhöhen, mit jungen Weitzen und Oehlbäumen geschmückt. Vor Ankona blühten den neunzehnten Februar Bohnen und Erbsen. Die Thäler und Berge rechts geben abwechselnd mit Wein und Obst und Oehl und Getreide eine herrliche Aussicht. Der Hafen von Ankona mag für die Alten ausserordentlich gut gewesen seyn; für die Neuern ist er es nicht mehr in dem Grade: und wenn nicht der Molo viel weiter hinaus geführt worden wäre, würde er wenig mehr brauchbar seyn. Es können nur wenig grosse Schiffe sicher darin liegen. Bekanntlich steht am Anfange des alten Molo der sogenannte Triumphbogen Trajans von weissem Marmor, der aus den Antiquitätenbüchern hinlänglich bekannt ist. Die Schrift fängt an ziemlich zu verwittern, und man muss schon sehr ziffern, wenn man den Sinn heraus haben will. Es müsste denn nur mir so gegangen seyn, der ich im Lesen der Steinschriften nicht geübt bin. Der neue Bogen des Van Vittelli, weiter hinaus, steht gegen den alten sehr demüthig da. Ganz am Ende des Molo steht ein Wachthurm, und vor demselben standen einige Piecen Artillerie auf dem Molo hereinwärts, die den Hafen bestreichen. Die übrigen Stücke decken oder wehren bloss den Eingang von der Seite von Loretto. Am Thurme stand eine französische Wache, deren man in der ganzen Stadt sonst nicht viele fand, obgleich die Besatzung ziemlich stark ist. Est ce qu'il est permis de monter la tour pour voir la contrée? fragte ich. Non; war die Antwort: ich musste also zurückgehen und die Berge rund umher besteigen, wenn ich die Aussicht theilweise haben wollte, die ich hier ganz hätte haben können. Es mag freylich wohl der beste militärische Augenpunkt seyn. Das Seelazareth an dem andern Ende des Hafens, gleich am Wege von Loretto und Sinigaglia, der sich dort trennt, ist ein sehr schönes Gebäude ganz im Meere, so dass eine Brücke hinüber führt. Es hat rund herum eine Menge schöner bequemer Gemächer, eine Kapelle mitten im Hofe, frisches Wasser durch Röhren vom Berge und ein ziemlich grosses Waarenhaus. Auch das Militärspital auf dem Lande ist ein schönes weitläufiges Gebäude. Die Schiffe sind meistens fremde und die Handlung hebt sich nur sehr langsam durch die Massregel des römischen Hofes, dass man Ankona zu einem Freyhafen erklärt hat. Auf der südlichen Höhe der Stadt steht die alte Kathedralkirche, wo ausser dem unverweslichen heiligen Cyriakus noch einige andere Kapitalheilige begraben liegen, deren Namen mir entfallen sind. Man findet dort eine schöne prächtige, funkelnagelneue Inskription, dass Pius der Sechste auf seiner Rückkehr aus Deutschland, wo er die Wiener gesegnet hatte, daselbst die Unverweslichkeit des Heiligen in Augenschein genommen, bewundert und von neuem dokumentiert habe. Dieses Monument des Wunderglaubens ist dem Papst auf Kosten des Volks und der Stände der Mark Ankona in der glänzenden marmornen Krypte der Heiligen errichtet worden. O sancta!

Die Börse ist ein grosser, schöner, gewölbter Saal mitten in der Stadt, mit interessanten gut gearbeiteten Gemählden und Statüen, welche moralische und bürgerliche Tugenden vorstellen. Die erstern sollen von Perugino seyn, wie man mir sagte; ich hätte sie nicht für so alt gehalten.

Im Theater gab man die alte Posse, der lustige Schuster, gar nicht übel; und das italiänische Talent zur Burleske mit dem feinen Takt für Schicklichkeit und Anstand zeigte sich hier sehr vortheilhaft. Ich kann nicht umhin, Dir hier einige Worte über unsere deutschen Landsleute auf der Bühne zu sagen. Es wäre wohl zu wünschen, dass sie etwas von der Delikatesse der Wälschen hierin hätten oder lernten. Das ist bey uns ein ewiges Küssen und sogar Schmatzen auf den Brettern bey jeder Gelegenheit. Wenn man glaubt, dass dieses eine schöne ästhetische Wirkung thun müsse, so irrt man sich vermuthlich; wenigstens für mich muss ich bekennen, dass mir nichts langweiliger und peinlicher wird als eine solche Zärtlichkeitsscene. Ein Kuss ist alles, und ein Kuss ist nichts; und hier ist er weniger als nichts, wenn er so seine Bedeutung verliert. Er gehört durchaus zu den Heimlichkeiten der Zärtlichkeit, in der Freundschaft wie in der Liebe, und wird hier entweiht, wenn er vor die Augen der Profanen getragen wird. Ich weiss die Einwürfe; aber ich kann hier keine Abhandlung schreiben, sie alle zu beantworten. Der Italiäner weiss durch die feinen Nüanzen der Umarmung mehr zu wirken, als wir durch unsere Küsse. Es versteht sich, dass seltene Ausnahmen Statt finden. Ein anderer Artikel, den wir etwas zu materiell behandeln, ist das Essen und Trinken und Tabaksrauchen auf dem Theater. Das alles ist von sehr geringer ästhetischer Bedeutung, und sollte füglich wegfallen. Es ist als ob wir unsere Stärke zeigen wollten, um die Präeminenz unsers Magens zu beweisen: und der Gebrauch der Theemaschine und der Serviette gehört bey mir durchaus nicht zu den guten Theaterkünsten; zumahl wenn man eine Theekanne auf das Theater bringt, die man in der letzten Dorfschenke kaum unförmlicher und unreinlicher finden würde. Auch sieht man zuweilen einen Korb, der doch Eleganz bezeichnen sollte, als ob eben ein Bauer Hühnermist darin auf das Pflanzenbeet getragen hätte. Nimm mir es nicht übel, dass ich da in dramaturgischen Eifer gerathe: es wirkt unangenehm, wenn man Schicklichkeit und Anstand vernachlässigt.

Von Leipzig bis hierher habe ich keinen Ort gefunden, wo es so theuer wäre wie in Ankona; selbst nicht das theure Triest. Ich habe hier täglich im Wirthshause einen Kaiserdukaten bezahlen müssen, und war für dieses Geld schlecht genug bewirthet. Man schiebt noch alles auf den Krieg und auf die Belagerung; das mag den Aubergisten sehr gut zu Statten kommen. Alles war voll Impertinenz. Dem Lohnbedienten zahlte ich täglich sechs Paolo; dafür wollte er früh um neun Uhr kommen und den Abend mit Sonnenuntergange fort gehen; und machte gewaltige Extrafoderungen, als er bis nach der Komödie bleiben sollte, da ich in der winkligen Stadt meine Auberge in der Nacht nicht leicht wieder zu finden glaubte. Er pflanzte sich im Parterre neben mich und unterhielt mich mit seinen Impertinenzen; und dafür musste ich ihm die Entree bezahlen und zwey Paolo Nachschuss für die Nachtstunden. Die Barbiere bringen jederzeit einen Bedienten mit, eine Art von Lehrling, der das Becken trägt und das Bartscheren von dem grossen Meister lernen soll. Nun ist das Becken zwar in der That so geräumig, dass man bequem einige Ferkel darin abbrühen könnte, und man wundert sich nicht mehr so sehr, dass die erhitzte Phantasie Don Quischotts so etwas für einen Helm ansah. Hast Du den Herrn recht gut bezahlt, so kommt der Junge, der die Serviette und den Seifenlappen in Ordnung gelegt hat und fodert etwas della bona mano, della bona grazia, und macht zu einer Kleinigkeit kein sehr freundliches Gesicht. Mein Bart hat mich bey den Leuten schon verzweifelt viel gekostet, und wenn ich länger hier bliebe, würde ich mich an die Bequemlichkeit der Kapuziner halten.

Die Leute klagten über Noth und hielten bey hellem Tage durch die ganze Stadt Faschingsmummereyen, dass die Franzosen die Polizeywache verdoppeln mussten, damit das Volk einander nur nicht todt trat, so voll waren die Gassen gepfropft. Da gab es denn eben so possierliche Auftritte, wie in Imola. Vorzüglich schnakisch sah es aus, wenn eine sehr feine Gesellschaft in dem höchsten Maskeradenputz vorbey zog, ein wirklicher Ochsenbauer mit seinen weitgehörnten Thieren, die Weinfässer fuhren, sich eingeschoben hatte und eine Gruppe zierlicher Abbaten hinter den Fässern hertrollte, nicht vorbey konnte, mit Ungeduld ihre Blicke nach den Damen schickten, endlich durchwischten und mit den soliden Fuhrleuten in ernsthafte Ellbogenkollision kamen. Das gab dann Leben und Lärm unter den dichtgedrängten Zuschauern links und rechts. Die armen Leute, welche über Hunger klagten, warfen doch einander mit Bonbons aller Art; aber vorzüglich gingen freundschaftliche zärtliche Kanonaden mit einer ungeheuern Menge Maiz, den man in Körben als Ammunition zu dieser Neckerey dort zum Verkauf trug. Mich däucht, man hätte nachher wohl zehen Scheffel sammeln können. Freylich lesen den andern Tag die Armen auf, was nicht im Koth zertreten und zerfahren ist; und damit entschuldigt man das Unwesen. Es ist eine sonderbare, sehr närrisch lustige Art Almosen auszutheilen.

Die Kaffeehäuser sind hier sehr gut eingerichtet und man trifft daselbst immer sehr angenehme unterhaltende Gesellschaft von Fremden und Einheimischen. Eine sonderbare Erscheinung muss die Belagerung der Stadt im vorigen Kriege gemacht haben, wo fast alle Nationen von Europa, Oestreicher, Engländer, Russen, Italiäner und Türken gegen die neuen Gallier schlugen, die sich trotz allen Anstrengungen der Herren endlich doch darin behaupteten, und die nun bloss durch die gewaltige Frömmigkeit ihrer Machthaber daraus vertrieben werden. Ankona ist gewiss in jeder Rücksicht einer der interessantesten militärischen Posten an dieser Seite, und nächst Tarent der wichtigste am ganzen adriatischen Meere. Bis nach Ankona lautete mein Pass von Wien aus, weil der höfliche Präsident der italiänischen Kanzley ihn durchaus nicht weiter schreiben wollte. Aber hier machte man mir gar keine Schwierigkeit mir einen Pass zu geben, wohin ich nur verlangte. Man war nur meinetwegen besorgt, ich möchte dem Tode entgegen gehen. Dawider liess sich nun freylich kein mathematischer Beweis führen: ich machte den guten freundschaftlichen Leuten aber deutlich, dass meine Art zu reisen am Ende doch wohl noch die sicherste sey. Wer würde Reichthümer in meinem Reisesacke suchen? Mein Aufzug war nicht versprechend; und um nichts schlägt man doch nirgends die Leute todt.