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  <title>Die Schläfer</title>
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<body>

<h3>Die Schläfer</h3>

<p class="dedication">
Jacob van Hoddis gewidmet</p>

<p>
Es schattet dunkler noch des Wassers Schoß,<br />
Tief unten brennt ein Licht, ein rotes Mal<br />
Am schwarzen Leib der Nacht, wo bodenlos<br />
Die Tiefe sinkt. Und auf dem dunklen Tal,</p>

<p>
Mit grünem Fittich auf der dunklen Flut<br />
Flattert der Schlaf, der Schnabel dunkelrot,<br />
Drin eine Lilie welkt, der Nacht Salut,<br />
Den Kopf von einem Greise gelb und tot.</p>

<p>
Er schüttelt seine Federn wie ein Pfau.<br />
Die Träume wandern wie ein lila Hauch<br />
Um seine Schwinge, wie ein blasser Tau.<br />
In ihre Wolke taucht er, in den Rauch.</p>

<p>
Die großen Bäume wandern durch die Nacht<br />
Mit langem Schatten, der hinüber läuft<br />
Ins weiße Herz der Schläfer, die bewacht<br />
Der kalte Mond, der seine Gifte träuft</p>

<p>
Wie ein erfahrner Arzt tief in ihr Blut.<br />
Sie liegen fremd einander, stumm, im Haß<br />
Der dunklen Träume, in verborgner Wut.<br />
Und ihre Stirn wird von den Giften blaß.</p>

<p>
Der Baum von Schatten klammert um ihr Herz<br />
Und senkt die Wurzeln ein. Er steigt empor<br />
Und saugt sie aus. Sie stöhnen auf vor Schmerz.<br />
Er ragt herauf, am Turm der Nacht, am Tor</p>

<p>
Der blinden Stille. In die Zweige fliegt<br />
Der Schlaf. Und seine kalte Schwinge streift<br />
Die schwere Nacht, die auf den Schläfern liegt<br />
Und ihre Stirn mit Qualen weiß bereift.</p>

<p>
Er singt. Ein Ton von krankem Violett<br />
Stößt an dem Raum. Der Tod geht. Manches Haar<br />
Streicht er zurück. Ein Kreuz, Asche und Fett,<br />
So malt er seine Frucht im welken Jahr.</p>

</body>
</html>