aboutsummaryrefslogtreecommitdiff
path: root/OEBPS/Text/der-ewige-tag/39-das-fieberspital.html
diff options
context:
space:
mode:
Diffstat (limited to 'OEBPS/Text/der-ewige-tag/39-das-fieberspital.html')
-rw-r--r--OEBPS/Text/der-ewige-tag/39-das-fieberspital.html133
1 files changed, 133 insertions, 0 deletions
diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/39-das-fieberspital.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/39-das-fieberspital.html
new file mode 100644
index 0000000..d36a8c0
--- /dev/null
+++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/39-das-fieberspital.html
@@ -0,0 +1,133 @@
+<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?>
+<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN"
+ "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd">
+
+<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml">
+<head>
+ <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" />
+ <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" />
+ <title>Das Fieberspital</title>
+</head>
+<body>
+
+<h3>Das Fieberspital</h3>
+
+<p>
+Die bleiche Leinwand in den vielen Betten<br />
+Verschwimmt in kahler Wand im Krankensaal.<br />
+Die Krankheiten alle, dünne Marionetten,<br />
+Spazieren in den Gängen. Eine Zahl</p>
+
+<p>
+Hat jeder Kranke. Und mit weißer Kreide<br />
+Sind seine Qualen sauber aufnotiert.<br />
+Das Fieber donnert. Ihre Eingeweide<br />
+Brennen wie Berge. Und ihr Auge stiert</p>
+
+<p>
+Zur Decke auf, wo ein paar große Spinnen<br />
+Aus ihrem Bauche lange Fäden ziehn.<br />
+Sie sitzen auf in ihrem kalten Linnen<br />
+Und ihrem Schweiß mit hochgezognen Knien.</p>
+
+<p>
+Sie beißen auf die Nägel ihrer Hand.<br />
+Die Falten ihrer Stirn, die rötlich glüht,<br />
+Sind wie ein graugefurchtes Ackerland,<br />
+Auf dem des Todes großes Frührot blüht.</p>
+
+<p>
+Sie strecken ihre weißen Arme vor,<br />
+Vor Kälte zitternd und vor Grauen stumm.<br />
+Schon wälzt ihr Hirn sich schwarz von Ohr zu Ohr<br />
+In ungeheurem Wirbel schnell herum.</p>
+
+<p>
+Dann gähnt in ihrem Rücken schwarz ein Spalt,<br />
+Und aus der weißgetünchten Mauerwand<br />
+Streckt sich ein Arm. Um ihre Kehle ballt<br />
+Sich langsam eine harte Knochenhand.</p>
+
+
+<h4>II.</h4>
+
+<p>
+Des Abends Trauer sinkt. Sie hocken stumpf<br />
+In ihrer Kissen Schatten. Und herein<br />
+Kriecht Wassernebel kalt. Sie hören dumpf<br />
+Durch ihren Saal der Qualen Litanein.</p>
+
+<p>
+Das Fieber kriecht in ihren Lagern um,<br />
+Langsam, ein großer, gelblicher Polyp.<br />
+Sie schaun ihm zu, von dem Entsetzen stumm.<br />
+Und ihre Augen werden weiß und trüb.</p>
+
+<p>
+Die Sonne quält sich auf dem Rand der Nacht.<br />
+Sie blähn die Nasen. Es wird furchtbar heiß.<br />
+Ein großes Feuer hat sie angefacht,<br />
+Wie eine Blase schwankt ihr roter Kreis.</p>
+
+<p>
+Auf ihrem Dache sitzt ein Mann im Stuhl<br />
+Und droht den Kranken mit dem Eisenstab.<br />
+Darunter schaufeln in dem heißen Pfuhl<br />
+Die Nigger schon ihr tiefes, weißes Grab.</p>
+
+<p>
+Die Leichenträger gehen durch die Reihen<br />
+Und reißen schnell die Toten aus dem Bett.<br />
+Die andern drehn sich nach der Wand mit Schreien<br />
+Der Angst, der Toten gräßlichem Valet.</p>
+
+<p>
+Moskitos summen. Und die Luft beginnt<br />
+Vor Glut zu schmelzen. Wie ein roter Kropf<br />
+Schwillt auf ihr Hals, darinnen Lava rinnt.<br />
+Und wie ein Ball von Feuer dröhnt ihr Kopf.</p>
+
+<p>
+Sie machen sich von ihren Hemden los<br />
+Und ihren Decken, die sie naß umziehn.<br />
+Ihr magrer Leib, bis auf den Nabel bloß,<br />
+Wiegt hin und her im Takt der Phantasien.</p>
+
+<p>
+Das Floß des Todes steuert durch die Nacht<br />
+Heran durch Meere Schlamms und dunkles Moor.<br />
+Sie hören bang, wie seine Stange kracht<br />
+Lauthallend unten am Barackentor.</p>
+
+<p>
+Zu einem Bette kommt das Sakrament.<br />
+Der Priester salbt dem Kranken Stirn und Mund.<br />
+Der Gaumen, der wie rotes Feuer brennt,<br />
+Würgt mühsam die Oblate in den Schlund.</p>
+
+<p>
+Die Kranken horchen auf der Lagerstatt<br />
+Wie Kröten, von dem Lichte rot gefleckt.<br />
+Die Betten sind wie eine große Stadt,<br />
+Die eines schwarzen Himmels Rätsel deckt.</p>
+
+<p>
+Der Priester singt. In grauser Parodie<br />
+Krähn sie die Worte nach in dem Gebet.<br />
+Sie lachen laut, die Freude schüttelt sie.<br />
+Sie halten sich den Bauch, den Lachen bläht.</p>
+
+<p>
+Der Priester kniet sich an der Bettstatt Rand.<br />
+In das Brevier taucht er die Schultern ein.<br />
+Der Kranke setzt sich auf. In seiner Hand<br />
+Dreht er im Kreise einen spitzen Stein.</p>
+
+<p>
+Er schwingt ihn hoch, haut zu. Ein breiter Riß<br />
+Klafft auf des Priesters Kopf, der rückwärts fällt.<br />
+Und es erfriert sein Schrei auf dem Gebiß,<br />
+Das er im Tode weit noch offen hält.</p>
+
+</body>
+</html>