aboutsummaryrefslogtreecommitdiff
path: root/OEBPS/Text/der-ewige-tag/37-ophelia.html
diff options
context:
space:
mode:
Diffstat (limited to 'OEBPS/Text/der-ewige-tag/37-ophelia.html')
-rw-r--r--OEBPS/Text/der-ewige-tag/37-ophelia.html91
1 files changed, 91 insertions, 0 deletions
diff --git a/OEBPS/Text/der-ewige-tag/37-ophelia.html b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/37-ophelia.html
new file mode 100644
index 0000000..3ab1388
--- /dev/null
+++ b/OEBPS/Text/der-ewige-tag/37-ophelia.html
@@ -0,0 +1,91 @@
+<?xml version="1.0" encoding="utf-8" standalone="no"?>
+<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN"
+ "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd">
+
+<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml">
+<head>
+ <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" />
+ <link href="../../Styles/style.css" rel="stylesheet" type="text/css" />
+ <title>Ophelia</title>
+</head>
+<body>
+
+<h3>Ophelia</h3>
+
+<p>
+Im Haar ein Nest von jungen Wasserratten,<br />
+Und die beringten Hände auf der Flut<br />
+Wie Flossen, also treibt sie durch den Schatten<br />
+Des großen Urwalds, der im Wasser ruht.</p>
+
+<p>
+Die letzte Sonne, die im Dunkel irrt,<br />
+Versenkt sich tief in ihres Hirnes Schrein.<br />
+Warum sie starb? Warum sie so allein<br />
+Im Wasser treibt, das Farn und Kraut verwirrt?</p>
+
+<p>
+Im dichten Röhricht steht der Wind. Er scheucht<br />
+Wie eine Hand die Fledermäuse auf.<br />
+Mit dunklem Fittich, von dem Wasser feucht<br />
+Stehn sie wie Rauch im dunklen Wasserlauf,</p>
+
+<p>
+Wie Nachtgewölk. Ein langer, weißer Aal<br />
+Schlüpft über ihre Brust. Ein Glühwurm scheint<br />
+Auf ihrer Stirn. Und eine Weide weint<br />
+Das Laub auf sie und ihre stumme Qual.</p>
+
+
+<h4>II.</h4>
+
+<p>
+Korn. Saaten. Und des Mittags roter Schweiß.<br />
+Der Felder gelbe Winde schlafen still.<br />
+Sie kommt, ein Vogel, der entschlafen will.<br />
+Der Schwäne Fittich überdacht sie weiß.</p>
+
+<p>
+Die blauen Lider schatten sanft herab.<br />
+Und bei der Sensen blanken Melodien<br />
+Träumt sie von eines Kusses Karmoisin<br />
+Den ewigen Traum in ihrem ewigen Grab.</p>
+
+<p>
+Vorbei, vorbei. Wo an das Ufer dröhnt<br />
+Der Schall der Städte. Wo durch Dämme zwingt<br />
+Der weiße Strom. Der Widerhall erklingt<br />
+Mit weitem Echo. Wo herunter tönt</p>
+
+<p>
+Hall voller Straßen. Glocken und Geläut.<br />
+Maschinenkreischen. Kampf. Wo westlich droht<br />
+In blinde Scheiben dumpfes Abendrot,<br />
+In dem ein Kran mit Riesenarmen dräut,</p>
+
+<p>
+Mit schwarzer Stirn, ein mächtiger Tyrann,<br />
+Ein Moloch, drum die schwarzen Knechte knien.<br />
+Last schwerer Brücken, die darüber ziehn<br />
+Wie Ketten auf dem Strom, und harter Bann.</p>
+
+<p>
+Unsichtbar schwimmt sie in der Flut Geleit.<br />
+Doch wo sie treibt, jagt weit den Menschenschwarm<br />
+Mit großem Fittich auf ein dunkler Harm,<br />
+Der schattet über beide Ufer breit.</p>
+
+<p>
+Vorbei, vorbei. Da sich dem Dunkel weiht<br />
+Der westlich hohe Tag des Sommers spät,<br />
+Wo in dem Dunkelgrün der Wiesen steht<br />
+Des fernen Abends zarte Müdigkeit.</p>
+
+<p>
+Der Strom trägt weit sie fort, die untertaucht,<br />
+Durch manchen Winters trauervollen Port.<br />
+Die Zeit hinab. Durch Ewigkeiten fort,<br />
+Davon der Horizont wie Feuer raucht.</p>
+
+</body>
+</html>