Es würde anmasslich seyn, wenn ich Dir eine grosse Abhandlung über Paris schreiben wollte, da Du davon jeden Monat in allen Journalen ein Dutzend lesen kannst. Mein Aufenthalt ist zu kurz; ich bin nur ungefähr vierzehn Tage hier und mache mich schon wieder fertig abzusegeln.

Nach Paris kam ich ohne alle Empfehlung, ausgenommen ein Papierchen an einen Kaufmann wegen meiner letzten sechs Dreyer. Ich habe nicht das Introduktionstalent und im Allgemeinen auch nicht viel Lust mich so genannten grossen Männern zu nahen. Man opfert seine Zeit, raubt ihnen die ihrige und ist des Willkommens selten gewiss; trifft sie vielleicht selten zur schönen Stunde, und hätte mehr von ihnen gehabt, wenn man das erste beste ihrer Bücher oder ihre öffentlichen Verhandlungen vorgenommen hätte. Das ist der Fall im Allgemeinen; es wäre schlimm, wenn es nicht Ausnahmen gäbe. Mich däucht, man ist in dieser Rücksicht auch zuweilen sehr unbillig. Man erwartet oder verlangt vielleicht sogar von einem berühmten Schriftsteller, er solle in seiner persönlichen Erscheinung dem Geist und dem Witz in seinen Büchern gleich kommen oder ihn noch übertreffen; und man bedenkt nicht, dass das Buch die Quintessenz seiner angestrengtesten Arbeiten ist und dass die gesellschaftliche Unterhaltung ein sonderbares Ansehen gewinnen würde, wenn der Mann beständig so in Geburtsnoth seyn sollte. Die Zumuthung wäre grausam, und doch ist sie nicht ungewöhnlich. Es giebt zuweilen glückliche Geister, deren mündlicher extemporärer Vortrag besser ist, als ihre gesichtetste Schrift: aber dieses kann nicht zur Regel dienen.

Ich ging zu Herrn Millin, weil ich dort Briefe zu finden hoffte. Diese fand ich zwar nicht, aber man hatte ihm meinen Namen genannt und er nahm mich sehr freundlich auf; und ich bin, so wie ich ihn nun kenne, versichert, ich würde auch ohne diess freundlich aufgenommen worden seyn. Millin ist für die Fremden, die in literarischer Absicht Paris besuchen, eine wahre Wohlthat. Der Mann hat eine grosse Peripherie von Kenntnissen, die ächte französische Heiterkeit, selbst eine schöne Büchersammlung in vielen Fächern und aus vielen Sprachen, und eine seltene Humanität. Mehrere junge Deutsche haben den Vortheil in seinen Zimmern zu arbeiten und sich seines Raths zu bedienen. Ich habe ihn oft und immer gleich jovialisch und gefällig gesehen. Auf der Nationalbibliothek herrscht eine musterhafte Ordnung und eine beyspiellose Gefälligkeit gegen Fremde. Dass in der öffentlichen Gerechtigkeit grosse Lücken sind, ist bekannt, und dass ihre gepriesene Freiheit täglich presshafter wird, leidet eben so wenig Zweifel. Ich hatte selbst ein Beyspielchen. Die Kaiserin Katharina die Zweyte hatte dem Papst Pius dem Sechsten ein Geschenk mit allen Russischen Goldmünzen gemacht: der Werth muss beträchtlich gewesen seyn. Diese lagen mit den übrigen Schätzen im Vatikan. Die Franzosen nahmen sie weg, um sie nach Paris zu den übrigen Schätzen zu bringen. In Rom sind sie nicht mehr; aber desswegen sind sie nicht in Paris. Man sprach davon; ich fragte darnach. — Sie sind nicht da. — Aber sie sollten da seyn. — Freylich. — Wer hat denn die Besorgung gehabt? — Man schwieg. — Der Kommissär muss doch bekannt seyn. Man antwortete nicht. — Warum untersucht man die Sache nicht? — Man zuckte die Schultern. — Aber das ist ja nichts als die allergewöhnlichste Gerechtigkeit und die Sache der Nation, über die jeder zu sprechen und zu fragen befugt ist. — Wenn die Herren an der Spitze, sagte man leise, die doch nothwendig davon unterrichtet seyn müssen, es nicht thun und es mit Stillschweigen übergehen; wer will es wagen? — Wagen, wagen! brummte ich; so so, das ist schöne Gerechtigkeit, schöne Freyheit. Meine Worte und mein Ton setzten die Leutchen etwas in Verlegenheit; und es schien, ich war wirklich seit langer Zeit der erste, der nur so eine Aeusserung wagte. Wo keine Gerechtigkeit ist, ist keine Freyheit; und wo keine Freyheit ist, ist keine Gerechtigkeit: der Begriff ist eins; nur in der Anwendung verirrt man sich, oder vielmehr sucht andere zu verwirren.

In dem Saale der Manuskripte arbeiten viel Inländer und Ausländer, und unter andern auch Doktor Hager an seinem chinesischen Werke. Ich liess mir den Plutarch von Sankt Markus in Venedig geben, um doch auch ein gelehrtes Ansehen zu haben, bin aber nicht weit darin gekommen. Es wird mir sauer dieses zu lesen und ich nehme lieber den Homer von Wolf oder den Anakreon von Brunk, wo mir leicht und deutlich alles vorgezogen ist. In der Kupferstichsammlung hängt an den Fenstern herum eine gezeichnete Kopie von Raphaels Psyche aus der Farnesine; aber sie gewährt kein ausserordentlich grosses Vergnügen, wenn man das Original noch in ganz frischem Andenken hat.

Mein erster Gang, als ich ins Museum im Louver kam, war zum Laokoon. Ich hatte in Dresden in der Mengsischen Sammlung der Abgüsse und in Florenz bey der schönen Kopie des Biondelli einen Zweifel aufgefangen, den man mir dort nicht lösen konnte. Man sagte mir, es sey so im Original; und das konnte ich nicht glauben oder ich beschuldigte den alten grossen Künstler eines Fehlers. Die Sache war, das linke Bein, um welches sich an der Wade mit grosser Gewalt die Schlange windet, war im Abguss und in der Marmorkopie gar nicht eingedrückt. Ich weiss wohl, dass die grosse Anstrengung der Muskeln einen tiefen Eindruck verhindern muss: aber eine solche Bestie, wie diese Schlange war und auf dem Kunstwerk ist, musste mit ihrer ganzen Kraft der Schlingung den Eindruck doch ziemlich merklich machen. Hier sah ich die Ursache der Irrung auf einen Blick. Das Bein war an der Stelle gebrochen, und so auch die Schlange; man hatte die Stücke zusammen gesetzt: aber eine kleine Vertiefung der Wade unter der Pressung war auch noch im Bruche sichtbar. Beym Abguss und der Kopie scheint man darauf nicht geachtet zu haben und hat die Wade im Druck der Schlange so natürlich gemacht, als ob sie durch einen seidenen Strumpf gezogen würde. Ich überlasse das Deiner Untersuchung und Beurtheilung; mir kommt es vor, als ob die so verschönerte Wade desswegen nicht schöner wäre.

Den Apollo von Belvedere will man jetzt, wie ich höre, zum Nero dem Sieger machen. Klassische Stellen hat man wohl für sich, dass Nero in dieser Gestalt existiert haben könne; es kommt darauf an, dass man beweise, er sey es wirklich. Es wäre Schade um das schöne hohe Ideal der Künstler, wenn seine Schöpfung eine solche Veranlassung sollte gehabt haben. Der Musaget gefällt mir nicht, so wenig als einige seiner Mädchen: aber dafür sind andere dabey, die hohen Werth haben. Unter der Gesellschaft steht ein Sokrateskopf, nach welchem Raphael den seinigen in seiner Schule gemacht haben soll. Wie könnte ich Dir den Reichthum beschreiben, den die Franken hergebracht haben! Ich wollte nur, die Mediceerin wäre auch da, damit ich doch das Wunderbild sehen könnte. Vorzüglich beschäftigten mich einige Geschichtsstatüen und Geschichtsköpfe, meistens Römer; und vor allen die beyden Brutus, die man links am Fenster in ein ziemlich gutes Licht gesetzt hat, welches im Ganzen nicht der Fall ist: denn die meisten Kunstwerke, selbst der Laokoon und der Belvederische Apoll, stehen schlecht. Ich bin oft in dem Saale auf und ab gewandelt und habe links und rechts die Schätze betrachtet; aber ich kam immer wieder zu den Köpfen und vorzüglich zu diesen Köpfen zurück. Ich gestehe Dir meine Schwachheit, dass ich lieber Geschichtsköpfe sah als Ideale: und auch unter den Idealen finde ich mehr Portraite und Geschichte, als die Künstler vielleicht zugestehen wollen.

Die Gemäldesammlung oben ist verhältnissmässig noch reicher und kostbarer als der Antikensaal unten: ber die Ordnung und Aufstellung ist vielleicht noch ehlerhafter. Wenig Stücke, ausgenommen der grosse Vordersaal, haben ein gutes Licht. Die Madonna von Foligno war bey Madonna Bonaparte, und die Transfiguration war verschlossen unter den Händen der Restauratoren: ich habe sie also nicht gesehen. Dafür war ich glücklich den Saal der Zeichnungen offen zu treffen. Wie sehr bedauerte ich, dass Schnorr nicht mehr hier war: er wäre hier in seinem eigentlichen Element gewesen. Das Wichtigste darunter ist doch wohl auf alle Fälle die völlig ausgearbeitete Skizze Raphaels von seiner Schule, mich däucht, fast so gross wie das Gemälde selbst. Er hat bekanntlich nachher im Vatikan in der Arbeit einige wenige Veränderungen gemacht. Ich genoss und liess die Andern gelehrt vergleichen; nahm hier wieder den Sokrates und Diogenes und Archimedes. Im nehmlichen Saale sah ich auch die Vasen und einige Tische. Die bekannte Mengsische Vase mit der doppelten griechischen Aufschrift zeichnet sich auch durch Schönheit vor den meisten übrigen aus. Dass die eine Inschrift Δεπας heisst, ist die höchste Wahrscheinlichkeit: aber die Entzifferung der andern beruht wohl nur auf Konjektur des Gegenstandes; denn man könnte aus den Zügen eben so gut Κοϱαϰας als Πεπαυσο machen. Die Vermuthung ist indessen sinnreich, wenn sie auch nicht richtig seyn sollte. Vielleicht giebt irgend eine Stelle eines alten Schriftstellers einigen Aufschluss darüber.

Ich hatte gewünscht David zu sehen, hörte aber in Paris so viel problematisches über seinen Charakter, dass mir die Lust verging. Ich sah ihn nur ein einziges Mal in seinem kleinen Garten am Louver, und sein Anblick lud mich nicht ein, Versuche zu machen ihm näher zu kommen. Das that mir leid; denn ich finde in dem Manne sonst vieles was mich hingezogen hätte. Aber reine Moralität ist das erste, was ich von dem Manne fodere, den ich zu sehen wünschen soll. Vielleicht thut man dem strengen etwas finstern Künstler auch etwas zu viel; desto besser für ihn und für uns alle. Sein Sohn hatte die Höflichkeit mich in das Attelier seines Vaters zu führen, wo Brutus der Alte steht, ein herrliches Trauerstück. Mann nennt es hier nur die Reue des Brutus, und ich begreife nicht, wie man zu dieser Idee gekommen ist. Die Leichen der jungen Menschen werden eben vorbey getragen, der weibliche Theil der Familie unterliegt dem Gewicht des Schmerzes, die Mutter wird ohnmächtig gehalten. Diese Gruppierung ist schön und pathetisch. Der alte Patriot sitzt entfernt in der Tiefe seines Kummers; er fühlt ganz die Verwaisung seines Hauses. Diess ist nach meiner Meinung die ganze Deutung des Stücks. Reue ist nicht auf seinem Gesichte und kann, so viel ich weiss, nach der Geschichte nicht darauf seyn. Diese Arbeit hat mir besser gefallen als die Sabinerinnen, welche in einem abgelegenen Saale für 36 Sols Entre gezeigt werden. Ich weiss nicht ob David es nöthig hat, sich Geld zahlen zu lassen: aber die Methode macht weder ihm noch der Nation Ehre. Ich habe nichts gezahlt, weil mich sein Sohn führte. Es thut mir in seine und jedes guten Franzosen Seele leid, dass die Kunst hier so sehr merkantilisch ist. Ueber das Stück selbst schweige ich, da ich im Ganzen der Meinung der andern deutschen Beurtheiler bin.

In Versailles war ich zweymal; einmal allein, um mich um zu sehen; das zweyte Mal in Gesellschaft mit Landsleuten, als die Wasser sprangen. In Paris sah man alles unentgeltlich und überall war zuvorkommende Gefälligkeit: in Versailles war durchaus eine Begehrlichkeit, die gegen die Pariser Humanität sehr unangenehm abstach. Ich zahlte einem Lohnlakey für zwey Stunden einen kleinen Thaler; darüber murrte er und verlangte mehr. Ich gab dem Mann in den ehemaligen Zimmern des Königs dreyssig Sols; dafür war er nicht höflich. Alles war theuer und schlechter, und alle Gesichter waren mürrischer. Du wirst mir die Beschreibung der Herrlichkeiten erlassen. Unten das Naturalienkabinett ist sehr artig und enthält mehrere Kuriositäten, muss aber freylich viel verlieren, wenn man einige Tage vorher den botanischen Garten in Paris gesehen hat. Eine eigene Erscheinung ist in dem hintersten Zimmer eine Zusammenhäufung der Idole der verschiedenen Kulten des Erdbodens. Darunter stand auch noch das Kreuz, und mich wundert, dass man es nach Abschliessung des Konkordats noch nicht wieder von hier weggenommen hat, da es doch sonst durchaus wieder in seine Würde gesetzt ist. Die Gemälde auf den Sälen oben sind alle aus der französischen Schule, und es sind viele Stücke darunter, die durch Kunst und noch mehr durch Geschichtsbeziehung interessant sind. Der Garten und vorzüglich die Orangerie wird in guter Ordnung gehalten. Sie ist schön, und es ist wohl wahrscheinlich, was man sagt, dass Bäume dabey sind, die schon unter Heinrich dem Vierten hier gestanden haben. Die Parthien nach Trianon hinüber sind noch eben so schön, als sie vor zwanzig Jahren waren. Die Versailler, welche unstreitig von allen am meisten durch die Revolution verloren haben und bey denen das monarchische Wesen vielleicht noch am festesten sitzt, schmeicheln sich, dass der Hof wieder hierher kommen werde, damit sie doch nicht gänzlich zu Grunde gehen. Das ist geradezu ihre Sprache und ihr Ausdruck; und sie haben wohl daran nicht Unrecht. Wenn sie vom Grosskonsul sprechen, nennen sie sein Gefolge seinen Hof; und wenn man die Sache recht ohne Vorurtheil nimmt, ist er absoluter und despotischer als irgend ein König von Frankreich war, von Hugo Kapet bis zum letzten unglücklichen Ludwig. Jetzt wird St. Cloud für ihn eingerichtet.

Gestern habe ich ihn auch endlich gesehen, den Korsen, der der grossen Nation mit zehnfachem Wucher zurück giebt, was die grosse Nation seine kleine seit langer Zeit hatte empfinden lassen. Es war der vierzehnte July und ein grosses Volksfest, wo der ganze Pomp der seligen Republik hinter ihm herzog. Früh hielt er grosse Parade auf dem Hofe der Tuilerien, wo alles Militär in Paris und einige Regimenter in der Nachbarschaft die Revüe passierten. Ich hatte daher Gelegenheit zugleich die schönsten Truppen von Frankreich zu sehen. Die Konsulargarde ist unstreitig ein Korps von den schönsten Männern, die man an Einem Ort beysammen denken kann: nur kann ich mir in den französischen Soldaten, ich mag sie besehen wie ich will, immer noch nicht die Sieger von Europa vorstellen. Wir sind mehr durch den Geist ihrer Sache und ihren hohen Enthusiasmus als durch ihre Kriegskunst geschlagen worden. Die taktische Methode des Tiraillierens, die aber nur der Ueberlegene an Anzahl brauchen kann, hat das ihrige auch gethan. Von Bonaparte sollte ich vielleicht lieber schweigen, da ich nicht sein Verehrer bin. Einen solchen Mann sieht man auf zwey hundert Meilen vielleicht besser als auf zehn Schritte. Es scheint aber in meinem Charakter zu liegen, Dir über ihn etwas zu sagen; und das will ich denn mit Offenheit thun. Ich bin keines Menschen Feind, sondern nur der Freund der Wahrheit, Freyheit und Gerechtigkeit. Neid und Herabsetzungssucht sind meiner Seele fremd, ich nehme immer nur die Sache. Ich bin dem Mann von seiner ersten Erscheinung an mit Aufmerksamkeit gefolgt, und habe seinen Muth, seinen Scharfblick, seine militärische und politische Grösse nie verkannt. Problematisch ist er in seinem Charakter immer gewesen, und ist es jetzt mehr als jemals, wenn man ihn nicht verdammen soll. Bis auf den Tag von Marengo, wo ihn Desaix Tod aus den republikanischen Gränzen heraus hob, hat er als Republikaner im Allgemeinen handeln müssen: seitdem hat er nichts mehr im Sinne eines Republikaners gethan.

Als er aus Aegypten kam, trat er die Krise seines Charakters an. Wir wollen sehen was er in Paris thut, dachte ich, und dann urtheilen. Ich tadle ihn nicht, dass er das Direktorium stürzte: es war keine Regierung, die unter irgend einem Titel die Billigung der Vernünftigen und Rechtschaffenen hätte erhalten können. Ich tadle ihn nicht, dass er so viel als möglich in der wichtigen Periode das Ruder des Staats für sich in die Hände zu bekommen suchte: es war in der Vehemenz der Faktionen vielleicht das einzige Mittel diese Faktionen zu stillen. Aber nun fängt der Punkt an, wo sein eigenster Charakter hervorzutreten scheint. Seitdem hat er nichts mehr für die Republik gethan, sondern alles für sich selbst; eben da er aufhören sollte irgend etwas mehr für sich selbst zu thun, sondern alles für die Republik. Jeder Schritt, den er that, war mit herrlich berechneter Klugheit vorwärts für ihn, und für die Republik rückwärts. Land gewinnen heisst nicht die Republik befestigen. Die Erste Konstitution zeigte zuerst den Geist, den er athmen würde. Sie wurde mit dem Bajonett gemacht, wie fast alle Konstitutionen. Es that mir an diesem Tage wehe für Frankreich und für Bonaparte. Das Schicksal hatte ihm die Macht in die Hände gelegt der grösste Mann der Weltgeschichte zu werden: er hatte aber dazu nicht Erhabenheit genug und setzte sich herab mit den übrigen Grossen auf gleichen Fuss. Er ist grösser als die Dionyse und Kromwelle; aber er ist es doch in ihrer Art und erwirbt sich ihren Ruhm. Dass er nicht sah, dass die Konstitution die neue Republik zertrümmern würde und dem Despotismus die Wege wieder bahnen, das lässt sich von seinem tiefen Blick nicht denken; und über seine Absichten mag ich nicht Richter seyn. Ich habe wider das Konsulat nichts, nichts wider das erste Konsulat. Aber seine Macht war sogleich zu exorbitant, und die Dauer war nicht mehr republikanisch. Ich gebe zu, dass die Dauer der römischen Magistraturen von Einem Jahre zu kurz war, zumal bey der Unbestimmtheit und Schlaffheit ihrer Gesetze de ambitu; aber die Dauer der neuen französischen von zehn Jahren war zu lang. Der letzte Stoss war, dass der alte Konsul wieder gewählt werden konnte. Ein Mann, der zehn Jahre lang eine fast gränzenlose Gewalt in den Händen gehabt hat, müsste ein Blödsinniger oder schon ein öffentlicher verächtlicher Bösewicht seyn, wenn er nicht Mittel finden sollte, sich wieder wählen zu lassen, und sodann nicht Mittel die Wahl zum Vortheil seiner Kreaturen zu beherrschen. Kleine Bedienungen mögen und dürfen in einer Republik lebenslänglich seyn; wenn es aber die grossen sind, geht der Weg zur Despotie. Das lehrt die Geschichte. Ich hätte nicht geglaubt, dass es so schnell gehen würde; aber auch dieses zeigt den Charakter der Nation. Fast sollte man glauben, die Franzosen seyen zur Despotie gemacht, so kommen sie ihr überall entgegen. Sie haben während der ganzen Revolution viel republikanische Aufwallung, oft republikanischen Enthusiasmus, zuweilen republikanische Wuth gezeigt, aber selten republikanischen Sinn und Geist, und noch nie republikanische Vernunft. Nicht als ob nicht hier und da einige Männer gewesen wären, die das letzte hatten; aber der Sturm verschlang sie. Es sind durch diese Staatsveränderung freylich Ideen in Umlauf gekommen und furchtbar bis zur Wuth gepredigt worden, die man sich vorher nur sehr leise sagte, und die so leicht nicht wieder zu vertilgen seyn werden: aber die halbe oder falsche Aufklärung dieser Ideen und der Missbrauch derselben geben den etwas gewitzigten Gegnern die Waffen selbst wieder in die Hände. Die Republik Frankreich trägt so wie die römische, und zwar weit näher als jene, ihre Auflösung in sich, wenn man keine haltbarere Konstitution bauet, als bis jetzt geschehen ist. Mir thut das leid; ich habe vorher ganz ruhig dem Getümmel zugesehen und immer geglaubt und gehofft, dass aus dem wild gährenden Chaos endlich noch etwas vernünftiges hervortauchen würde. Seitdem Bonaparte die Freyheit entschieden wieder zu Grabe zu tragen droht, ist mirs als ob ich Republikaner geworden wäre. Ich bin nicht der Meinung, dass eine grosse Republik nicht dauern könne. Wir haben an der römischen das Gegentheil gesehen, die doch, trotz ihrer gerühmten Weisheit, schlecht genug organisiert war. Ich halte dafür, dass in einer wohlgeordneten Republik am meisten Menschenwürde, Menschenwerth, allgemeine Gerechtigkeit und allgemeine Glückseligkeit möglich ist. Beweis und Vergleichung weiter zu führen würde wenig frommen und hier nicht der Ort seyn. Privilegien aller Art sind das Grab der Freyheit und Gerechtigkeit. Schon das Wort erklärt sich. Eine Ausnahme vom Gesetz ist eine Ungerechtigkeit, oder das Gesetz ist schlecht. In Deutschland hat man klüglich die Geistlichen und Gelehrten in etwas Theil an manchen Privilegien nehmen lassen, damit der Begriff nicht so leicht unbefangen aus einander gesetzt werde, und die Beleuchtung Publicität gewinne. In Frankreich hat man zwar die Privilegien mit einem einzigen Machtstreich zertrümmert und glaubt nun genug gethan zu haben. Aber sie werden sich schon wieder einschleichen und festsetzen, und man arbeitete selbst dadurch für sie, dass man auf der Gegenseite ohne Schonung stürmte, und zu weit ging. Die Republik der Fische ist durch die freye Fischerey zerstört, sagte der geistliche Herr ganz skoptisch in dem Postwagen; und die freye Jagd giebt der Polizey genug zu thun: denn es macht allerhand Gesindel im Lande allerhand Jagd. Muss man denn bey Abstellung der Ungebühr unbedingt durchaus die Jagd frey geben? Oder ist dieses nur ein Rechtsbegriff? Sie kann nicht frey seyn. In jedem wohlgeordneten Staate ist sie nur ein Recht der Eigenthümer; und nur der Eigenthümer kann die Befugniss haben das Wild auf seinem Grundstücke zu tödten, und hat den Process gegen den Nachbar, der es zum Schaden seiner Nachbarn nicht thut. Das Lehnssystem ist in Frankreich abgeschafft. Es wird sich aber von selbst wieder machen; denn man hat keine Vorkehrungen dagegen getroffen. Nach meiner Ueberzeugung ist die Grundlage der Freyheit und Gerechtigkeit in einem Staate, dass der Staat durchaus nur reine Besitzungen giebt und sichert und dafür reine Pflichten fordert. Durch diesen Grundsatz allein werden die Rechtsverhältnisse vereinfacht, und Beeinträchtigungen aller Art aufgehoben. Es entsteht daraus nothwendig ein Gesetz, das eine Einschränkung des Eigenthumsrechts zu seyn scheint: dieses ist aber nicht weiter, als in so fern gar niemand ein Eigenthumsrecht zum Nachtheil des Staats haben kann und darf. Niemand darf nehmlich die Erlaubuiss haben seine Grundstücke mit Lasten zu verkaufen oder auf immer zu vergeben, sondern muss sie durchaus rein veräussern. Nur durch dieses Gesetz wird der Rückkehr des Feudalsystems der Weg versperrt, werden alle Frohnverhältnisse, alle Leistungen an Subordinierte, Emphyteusen, alle Erbpachtungen aufgehoben. Denn alles dieses ist der Weg zum Lehnssystem, und dieses der Weg zu Ungerechtigkeiten aller Art und zur Sklaverey. Wo es noch erlaubt ist mit Lastklauseln Grundstücke umzutauschen, kann in die länge keine wahre Freyheit und Gerechtigkeit bestehen. Dagegen sind wohl schwerlich gültige Einwendungen zu machen. Wenn jemand zu viele Grundstücke hat, dass er sie nicht durch sich und seine Familie verwalten oder durch Pächter besorgen und bestellen lassen kann; so hat er für den Staat in jeder Rücksicht zu viel; er ist ihm zu reich. Er mag dann verkaufen, aber rein verkaufen und ohne Bedingung, so theuer als er will. Intermediäre Lasten können nicht bleiben; der Bürger kann niemand Pflichten schuldig seyn als dem Staate: und Bürger ist jeder, der nur einen Fuss Landes besitzt. In detrimentum reipublicae finden keine Besitzungen Statt. Es versteht sich von selbst, dass dann alle Steuerkataster nach der Regel Detri gemacht werden; und die erste Realimmunität ist der erste Schritt zur Despotie. So lange unsere Staaten nicht nach diesen Grundsätzen gemacht werden, dürfen wir nicht allgemeine Gerechtigkeit, nicht allgemeines Interesse, nicht Festigkeit und Dauer erwarten. In Frankreich ist kein Gesetz, das den belasteten Verkauf der Grundstücke untersagte; die Folge ist voraus zu sehen.

Die Errichtung der Ehrenlegion mit Anweisung auf Nationalgüter ist der erste beträchtliche Schritt zur Wiedereinführung des Lehnsystems; das wird allgemein gefühlt: aber niemand hat die Macht dem Allmächtigen zu widerstehen, der den Bayonetten befiehlt. Die Bayonette sind, wie gewöhnlich, sehr fein mit ins Spiel gezogen, und die meisten Führer derselben nehmen sich nicht die Mühe, bis auf übermorgen vorwärts zu denken. Wo die Regierung militärisch wird, ist es um Freiheit und Gerechtigkeit gethan. Rom fiel, so bald sie es ward. Die Geistlichkeit spricht wieder hoch und laut. Freylich wird sie nicht so schnell wieder zu der enormen Höhe steigen, wo sie vorher stand, so wenig wie der Adel. Aber das alte System wurde auch nicht in Einem Tage gebaut. Ich erinnere mich, dass vor einiger Zeit ein Emigrant in Deutschland, der übrigens nicht Schuld daran war dass die Esel keine Hörner haben, sich höchlich freute, dass nun wenigstens ein Edelmann allein an der Spitze stehe: das übrige werde sich schon machen. Der Mann muss in seiner Unbefangenheit eine prophetische Seele gehabt haben. Es hat wirklich alles Ansehen sich zu machen. Man sagt, Kaprara habe schon auf Wiederherstellung der Klöster angetragen, sey aber von Bonaparte zurück gewiesen worden. Bonaparte müsste nicht der kluge Mann seyn, der er ist, wenn er ohne Noth solche Sprünge machen wollte, oder mehr gäbe, als er zu seinem Behufe muss. Es ist das Glück des Adels und der Geistlichkeit, dass sie mit Modificationen, in seine Zwecke gehören. Wenns Noth thut, wird sich schon alles geben. Dass die Katholicität in Frankreich noch vielen Anhang, theils aus Ueberzeugung, theils aus Gemächlichkeit, theils aus Politik hat, beweist das Konkordat sehr deutlich. Man hat wirklich den Katholicismus zur Staatsreligion, das heisst zur herrschenden gemacht, und ich stehe nicht dafür, wenn es so fort geht, dass man in hundert Jahren das Bekehrungsgeschäft nicht wieder mit Dragonern treibt. Ich wurde durch die Rolle, die Bonaparte dabey spielte, gar nicht überrascht; es war seine Konsequenz: er war bey der Osterceremonie der nehmliche, welcher er in Aegypten war, wo er sein Manifest anfing: Im Namen des einzigen Gottes, der keinen Sohn hat! Er dachte, mundus vultergo —; aber das Sprichwort ist wahr; und es wäre zu wünschen gewesen, dass er nicht so gedacht hätte. Il est un peu singe, mais il est comme il faut; sagte der geistliche Herr im Postwagen. Er ist dadurch von seiner Grösse herab gestiegen. Man sagt, er habe sogar die Fahnen weihen wollen, sey aber durch das Gemurmel der alten Grenadiere davon abgehalten worden, die doch anfingen die Dose etwas zu stark zu finden. Ein Mann, der in Berlin und Petersburg entschieden republikanische Massregeln nimmt, gilt dort mit Grund für widerrechtlich und die Regierung verfährt gegen ihn nach den Gesetzen; das Gegentheil muss aus dem nehmlichen Grunde seit zehn Jahren in Frankreich gelten: man müsste denn in der Berechnung etwas höher gehen; welches aber sodann jedem Revolutionär in utramque partem zu Statten kommen würde.

Jetzt lebt er einsam und misstrauisch, mehr als je ein Morgenländer. Friedrich versäumte selten eine Wachparade; der Konsul hält alle Monate nur eine einzige. Er erscheint selten und immer nur mit einer starken Wache, und soll im Schauspiel in seiner Loge Reverbers nach allen Seiten haben, die ihm alles zeigen ohne dass ihn jemand sieht. Bey andern Massregeln könnte er als Fremdling wie eine wohlthätige Gottheit unter der Nation herum wandeln, und sein Name würde in der Weltgeschichte die Grösse aller andern niederstrahlen. Nun wird er unter den Augusten oder wenigstens unter den Dionysen glänzen; dafür thut er auf den kleinlichen Ruhm eines Aristides Verzicht. Ich könnte weinen; es ist mir, als ob mir ein böser Geist meinen Himmel verdorben hätte. Ich wollte so gern einmal einen wahrhaft grossen Mann rein verehren; das kann ich nun hier nicht.

Man sagt sich hier und da still und leise mehrere Bonmots, die seinen Stempel tragen. Von dem Tage an des ägyptischen Manifestes hat sich meine Seele über seinen Charakter auf Schildwache gesetzt. Das Konkordat und die Osterfeyer sind das Nebenstück. Als ihn ein zelotischer Republikaner in die ehemaligen Zimmer des Königs führte, die er nun selbst bewohnen wollte, und ihm dabey bedeutend sagte: Citoyen, vous entrés ici dans la chambre d'un tyran: antwortete er mit schnellem Scharfsinn: S'il avoit été tyran, il le serait encore: Eine furchtbare Wahrheit aus seinem Munde. Als ihm vorgestellt wurde, das Volk murre bey einigen seiner Schritte, er möchte bedenken; erwiederte er: Le peuple n'est rien pour qui le sait mener. Dem Sieyes, den die Parthey des Konsuls bey jeder Gelegenheit als einen flachen sehr subalternen Kopf darstellt, soll er auf eine Erinnerung sehr skoptisch gesagt haben: Si j'avois été roi en 1790, je le serois encore; et si j'avois dit alors la messe, j'en ferois encore de même. Ich sage Dir, was man hier und da bedächtlich an öffentlichen Orten spricht; denn laut zu reden wagt es niemand, weil seine lettres de cachet eben so sicher nach Bicetre führen als unter den Königen in die Bastille. Als das bekannte Buch über das lebenslängliche Konsulat erschien und er es nicht mehr unterdrücken konnte und doch den Verfasser, der ein angesehener und von der Nation allgemein geachteter Mann war, willkührlich gewaltsam in der Krise anzutasten nicht wagte, begnügte er sich zu sagen: Es sey alles sehr gut, aber jetzt nur noch etwas zu früh. Jedermann der etwas weiter blickte, behauptete, es sey leider etwas zu spät. Das Gesetzgebende Korps nennt man hier die Versammlung, durch welche er Gesetze giebt. Als sein Kommissär, ich glaube Reding, mit dem feinen Vorschlag des lebenslänglichen Konsulats nicht sogleich überall erwünschten Eingang fand; sondern vielmehr Schwierigkeiten aller Art antraf, soll er bey dem schlimmen Rapport ungeduldig mit allen Fingern geknackt und gesagt haben: Ah je saurai les attraper. Das hat er gehalten. Er schmiedete schnell, weil es warm war: nach vierzehntägigen Abkühlungen und Ueberlegungen möchte die Sache anders gegangen seyn. Ueber die Stimmung werden sonderbare Anekdoten erzählt; aber sie ist geschehen.

Man nennt ihn hier mit verschiedenen Namen, le premier consul, le grand consul, le consul vorzugsweise. Die beyden andern, die auch nur das Drittheil der Wache haben, sind neben ihm Figuranten und ihrer wird weiter nicht gedacht, als in der Form der öffentlichen Verhandlungen. Scherzweise nennt man ihn auch Sa Majesté, und ich stehe nicht dafür, dass es nicht Ernst wird. Auch heisst er ziemlich öffentlich empereur des Gaules, vielleicht die schicklichste Benennung für seinen Charakter, welche die Franzosen auch zugleich an die mögliche Folge erinnert. Auf Cäsar folgte August, und so weiter.

Die Feyer des Tags des Bastillenthurms beschloss ein Konzert in den Tuilerien, wo in dem Gartenplatze vor dem Orchester am Schlosse eine unzählige Menge Menschen zusammen gedrängt stand. Die ganze Nationalmusik führte es aus, und that es mit Kunst und Fertigkeit und Würde. Die Musik selbst gefiel mir nicht, ein Marsch ausgenommen, der durch seinen feierlichen Gesang eine hohe Wirkung hervorbrachte. Ich habe den Meister nicht erfahren. Das erste Orchester und vielleicht die erste Versammlung der Erde hätte bessere Musik haben sollen. Auf dem Balkon waren alle hohe Magistraturen der Republik, wie sie noch heisst, in ihrem Staatsaufzuge, und von den fremden Diplomatikern diejenigen, denen der Rang eine solche Ehre gab. Der erste Konsul liess sich einigemal sehen, ehe man Notiz von ihm nahm. Endlich fingen einige der Vordern an zu klatschen; es folgte aber nur ein kleiner Theil der Menge. Der Platz hielt vielleicht über hundert Tausend, und kaum der hundertste Theil gab die Ehrenbezeugung. Der Enthusiasmus war also nicht so allgemein, als man für ihn in seiner neuen Würde hätte erwarten sollen. Auch die Illumination war nicht die Hälfte von dem, was sie voriges Jahr gewesen seyn soll: und man sprach hier und da davon, dass die republikanischen Feste nach und nach eingehen sollten. Das ist begreiflich. Indessen werden sie doch etwas länger dauern als die Republik selbst.

Von den Merkwürdigkeiten in Paris darf ich nicht wieder anfangen, wenn ich kein Buch schreiben will; und dazu habe ich weder Lust noch Zeit noch Kenntniss. Die bunte Scene wandelt sich alle Tage und ist alle Tage interessant. Bloss der Garten der Tuilerien mit den elysäischen Feldern, welcher die Hauptpromenade der Pariser in dieser Gegend ausmacht, gewährt täglich eine unendliche Verschiedenheit. Die Pressfreyheit ist hier verhältnissmässig eingeschränkter als in Wien, und ich bin fest überzeugt, wenn der Tartuffe jetzt erschiene, man würde ihn eben sowohl verdammen als damals und Moliere könnte wieder sagen: Monsieur président ne veut pas, qu'on le joue. Die Dekaden sind durch das Konkordat und die Einführung der römischen Religion nothwendig geradezu wieder abgeschafft; sie heben einander auf. Auch rechnet man in Paris fast überall wieder nach dem alten Kalender und zählt nach Wochen. Die öffentlichen Verhandlungen werden bald folgen. Die Fasten werden in den Provinzen in Frankreich hier und da strenger gehalten als in Italien. In Italien konnte ich fast überall essen nach Belieben; in Dijon musste ich einigemal, sogar an der Wirthstafel, zur Fasten mit der Gesellschaft Froschragout essen: es war kein anderes Fleisch da. Mir war es einerley, ich esse gern Frösche; aber diese Mahlzeit ist doch sonst nicht jedermanns Sache. So ging mirs noch mehrere Mal auf der Reise. In Paris nimmt man freylich noch keine Notiz davon; aber man that es auch ehemals nicht. Die alten Namen der Oerter und Gassen treten nach und nach alle wieder ein, und eine republikanische Charte von der Stadt ist fast gar nicht mehr zu brauchen. Viele stellen sich, als ob sie die neuen Namen gar nicht wüssten; so sah mich ein sehr wohlgekleideter Mann glupisch an, als ich in die rue de la loi wollte, wiess mich aber sehr höflich weiter, als ich sie rue de Richelieu nannte. Das Pantheon heisst wieder die heilige Genoveve, und wird höchst wahrscheinlich nur unter dieser Rubrik vollendet werden. Ob sich alles so sanft wieder machen wird, weiss der Himmel. Man scheint jetzt von allen Seiten mit gehörigen Modifikationen darauf hinzuarbeiten. Die wieder eingewanderten und wieder eingesetzten Geistlichen treten schon überall von neuem mit ihren Anmasslichkeiten hervor und finden Engbrüstigkeit genug für ihre Lehre. Sie versagen, wie man erzählt, hier und da die Absolution, wenn man die Güter der Emigranten nicht wieder heraus geben will. Das kann in einzelnen Fällen sogar republikanische Gerechtigkeit seyn: aber der Missbrauch kann weit führen. Man erzählt viele Beyspiele, dass die französischen Roskolniks durchaus keine gemischten Ehen gestatten. Lasst nur erst die Geistlichkeit in die Justiz greifen, so seyd ihr verloren. Vor einigen Tagen las ich eine ziemlich sonderbare Abhandlung in einem öffentlichen Blatte, wo der Verfasser eine Parallele zwischen dem französischen und englischen Nationalcharakter zog. Man blieb ungewiss, ob das Ganze Ernst oder Ironie war. Er liess den Britten wirklich den Vorzug des tiefern Denkens, und behauptete für seine Nation durchaus nur die schöne Humanität und den Geschmack. Wenn sich das letzte nur ohne das erste halten könnte. Die Ausführung war wirklich drollig. Er sagt nicht undeutlich, die ganze Revolution sey eine Sache des Geschmacks und der Mode gewesen; und wenn man die Geschichte durchgeht, ist man fast geneigt ihm Recht zu geben. Aber diese Mode hat Ströme Blut gekostet; und wenn man so fortfährt wird fast so wenig dadurch gewonnen werden, als durch jede andere Mode der Herren von der Seine.

Die Polizey ist im Allgemeinen ausserordentlich liberal, wenn man sich nur nicht beygehen lässt, sich mit Politik zu bemengen. Das ist man in Wien auch. Der Diktator scheint das alte Schibolet zu brauchen, panem et circenses. Wenn ich in irgend einer grossen Stadt zu leben mich entschliessen könnte, so würde ich Paris wählen. Die Franzosen haben mehr als eine andere Nation dafür gesorgt, dass man in der Hauptstadt noch etwas schöne Natur findet. Die Tuilerien, die elysäischen Felder, die Boulewards, Luxenburg, der botanische Garten, der Invalidenplatz, Fraskati und mehrere andere öffentliche Orte gewähren eine schöne Ausflucht, die man durchaus in keiner andern grossen Stadt so trifft. Eine meiner sentimentalen Morgenpromenaden war die Wachparade der Invaliden zu sehen; in meinem Leben ist mir nichts rührender gewesen, als diese ehrwürdige Versammlung. Kein einziger Mann, der nicht für sein Vaterland eine ehrenvolle Wunde trug, die ihm die Dankbarkeit seiner Mitbürger erwarb. Zur Ehre unserer Chirurgie und Mechanik wandelten Leute ohne beyde Füsse so fest und trotzig auf Holz, als ob sie morgen noch eine Batterie nehmen wollten. Die guten Getäuschten glauben vielleicht noch für Freyheit und Gerechtigkeit gefochten zu haben und verstümmelt zu seyn.

Morgen will ich zu Fusse fort, und bin eben bloss aus Vorsicht mit meinem Passe auf der Polizey gewesen: denn man weiss doch nicht, welche Schwierigkeiten man in der Provinz haben kann. Meine Landsleute und Bekannten hatte mir gleich beym Eintritt in die Stadt gesagt, ich müsste mich mit meinem Passe auf der Polizey melden, und redeten viel von Strenge. Ich fand keinen Beruf hin zu gehen. Es ist die Sache der Polizey, sich um mich zu bekümmern, wenn sie will; ich weiss nichts von ihrem Wesen. Man hat von Basel aus bis hierher nicht nach meinem Passe gefragt; auch nicht hier an der Barriere. Der Wirth schrieb meinen Namen auf und sagte übrigens kein Wort, dass ich etwas zu thun hätte. Wenn mich die Polizey braucht, sagte ich, wird sie mich schon holen lassen; man hätte mir das Nöthige an der Barriere im Wagen oder im Wirthshause sagen sollen. Es fragte auch niemand. Indessen, da ich fort will, ging ich doch hin. Der Offizier, der die fremden Pässe zu besorgen hatte, hörte mich höflich an, besahe mich und den Pass und sagte sehr freundlich, ohne ihn zu unterschreiben: Es ist weiter nichts nöthig; Sie reisen so ab, wenn Sie wollen. — Der Pass war noch der Preussische von Rom aus. — Wenn Sie ihn allenfalls vom Grafen Luchesini wollen vidieren lassen, das können Sie thun; aber nöthig ists nicht. Ich dankte ihm und ging. In dergleichen Fällen thue ich nicht gern mehr als ich muss; ich ging also nicht zu dem Gesandten.